Formelle Bewertungs- & Anreizsysteme: Optimal oder Out of Date?

„Organisationen sollten formelle Bewertungs- und Anreizsysteme abschaffen“

Die These, dass Organisationen formelle Bewertungs- und Anreizsysteme komplett abschaffen sollten ist gewagt, jedoch sollten wir sie gründlich untersuchen. Denn in Zeiten zunehmender Digitalisierung, in Zeiten der Start-Ups und flachen Hierarchien, verschwimmen nicht nur die Rollen der Mitarbeiter immer mehr, sondern auch die Möglichkeiten diese Mitarbeiter (formell) zu bewerten. Und wenn die Rollen verschwimmen und die Prioritäten der Mitarbeiter sich ändern, muss sich das Management konsequent fragen, welche Anreize man setzen kann um Generation Y zu motivieren und steuern, und ob die alten Anreizsysteme ausreichen (Kühl, 1999).

Bisher galt die Annahme das formelle Anreizsysteme nicht nur am besten geeignet sind um Mitarbeiter zu motivieren, sondern auch um Leistung entsprechend zu würdigen und zu entlohnen. Die Grundidee hinter formellen Anreizsystemen ist wie folgt: „Leistung und Entlohnung müssen in Ihrer Relation zueinander (…) kommen und gegenüber dem Unternehmen und dem Mitarbeiter gleichermaßen vertretbar sein.“ (Kittel, 2005). Um die Prämien bei einem Anreizsystem überhaupt verteilen zu können, beziehungsweise um zu ermitteln welcher Mitarbeiter die angestrebten Prämien verdienen, die im Anreizsystem angeboten werden, muss jedoch ein formelles Bewertungssystem implementiert werden. Dementsprechend gehen Bewertungs- und Anreizsysteme Hand in Hand. Hier muss jedoch aufgepasst werden, dass diese Bewertungssysteme auf objektiven und nicht auf subjektiven Bewertungskriterien basieren, damit die Fairness des Systems garantiert ist. Es empfiehlt sich: „für gewerbliche Mitarbeiter und Angestellte (ein) einheitliches Stufenwertzahlverfahren oder Rangreihenverfahren. Insbesondere in kleineren Unternehmen sollte mit einem einheitlichen System gearbeitet werden, damit bei den Mitarbeitern nicht der Eindruck entsteht es werde mit zweierlei Maß gemessen“ (Kittel, 2005). Formelle Prämiensysteme schaffen Motivation bei den Mitarbeitern und führen zu einer höheren Produktivität, was sich wiederum positiv für die Umsätze des Unternehmens auswirkt.

Jedoch führen formelle Anreizsysteme auch zu einem erhöhten Konkurrenzdenken unter den Mitarbeitern (Miller, 2013). Dies kann wiederum zu mehr Stress führen, und zu einem schlechten Betriebsklima da jeder nur noch für sich alleine arbeitet. Dies kann für manche Mitarbeiter die nicht so effizient sind zu einer hohen psychischen Belastung führen. Des Weiteren gibt es auch ein Problem mit den Bewertungssystemen. Bei diesen müssen die Mitarbeiter zwangsläufig von ihren Vorgesetzten in irgendeiner Form bewertet werden. Sollten sich die bewerteten Mitarbeiter nicht mit dem Vorgesetzten verstehen, kann dies dazu führen, dass Vorgesetzte sie subjektiv schlechter bewerten, was wiederum zu Einbußen bei den Prämien oder Anreizen führen würde. Dies wäre überaus unfair und für Mitarbeiter die in Firmen arbeiten bei denen sie ein kleines Grundgehalt erhalten und sich den Hauptteil durch das Anreizsystem dazuverdienen, wirtschaftlich fatal. Als solches muss die Objektivität bei der Bewertung gewährleistet werden (Lehmann, 2006).

Letzen Endes führten die oben genannten Kritikpunkte dazu, dass mehr und mehr „moderne“ Unternehmen auf formelle Anreizsysteme und Bewertungssysteme verzichten, die den Mitarbeiter extrinsisch motivieren (zum Beispiel durch monetäre Prämien). Vor allem in Start-Ups, wo flache Hierarchien vorherrschen, und bei Berufen die kreative Mitarbeiter beschäftigen (z.B. Marketingagenturen), wird auf intrinsische Motivation gesetzt um den Mitarbeiter dazu zu bringen sich zu engagieren. Dies passiert dadurch, dass den Mitarbeitern so viel Autonomie wie möglich zugestanden wird und dass auf gute Teambuilding Maßnahmen gesetzt wird, damit sich die Mitarbeiter mit dem Unternehmen identifizieren (Lehmann, 2006). Alternativ versuchen diese Unternehmen ihren Mitarbeitern ein angenehmes Umfeld zu bieten mit vielen „Extras“ wie Kindergartenplätze, Fitnesscenter, speziellen Chefköchen (z.B. bei Google), Sabbaticals, oder sie bieten den Mitarbeitern Aktienpakete an, die die Mitarbeiter zu Teilinhabern der Firma machen. Dies alles wird getan um den Mitarbeitern so viele informelle Anreize wie möglich zu geben für das Unternehmen motiviert zu arbeiten.

Ultimativ hängt die potentielle Abschaffung von formellen Bewertungs- und Anreizsystemen in Organisationen von verschiedenen Faktoren ab. Diese wären die eigentliche Organisation an sich, die Mitarbeiter, und vor allem die Arbeit, die die Mitarbeiter verrichten. Vor allem in Berufen wo die Leistung der Mitarbeiter direkt gemessen werden kann, ist es fragwürdig Anreiz- & Bewertungssysteme abzuschaffen, da sie vor allem in diesen Betrieben nachweislich zu erhöhter Produktivität der Mitarbeiter führen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Firma Safelite wo sich die Leistung der Mitarbeiter nach Einführung einer Leistungsbezogenen Bezahlung erheblich gesteigert hat. Positive Nebeneffekte waren das qualifizierte und motivierte Mitarbeiter von der Firma angezogen wurden, da sie mit eigener Leistung mehr verdienen konnten, und „unmotivierte“ Mitarbeiter abgewandert sind (vgl. Ausgangssituation in Hall et al., 2000).

Bei Berufen in denen Leistung schlecht gemessen werden kann, oder in denen Mitarbeiter so viele verschiedene Aufgaben haben, dass es schwer ist formelle Anreizsysteme für Ihre Motivation zu erstellen, ist es Wert über die Abschaffung besagter Bewertungs- & Anreizsysteme nachzudenken. Hier ist es wiederum imperativ für das Management alternative Anreize zu setzen, um Mitarbeiter zu begeistern und intrinsisch zu motivieren. Denn eins ist sicher: schafft es das Unternehmen nicht die Mitarbeiter zu begeistern und zu motivieren, ob durch formelle Anreizsysteme oder anderweitige, steht es um die Produktivität im Betrieb schlecht. Und sich dann im umkämpften Markt gegen die Konkurrenz durchzusetzen wird schwierig.

 

Quelle:

 

Hall, Brian J. et al. (2000): „Performance Pay at Safelite Auto Glass (A)“. Harvard Business School Case 9-800-291. (Revised December 2001).

 

Lehmann, Meike (2006): „Möglichkeiten und Grenzen der Ausgestaltung von Anreizsystemen für freie Mitarbeiter“. Univ. Duisburg-Essen. Duisburg-Essen.

 

Miller, Brigitte (2013): „Bei der Mitarbeitermotivation haben monetäre Anreizsysteme Grenzen. Zugriff: http://www.business-netz.com/Mitarbeiterfuehrung/Mitarbeitermotivation-Monetaere-Anreizsysteme-nur-bedingt-sinnvoll (06.05.2016)

 

Kittel, Wilfried (2005): „Mit ergebnisorientierten Entgeltsystemen Personalproduktivität und Motivation steigern“. WEKA MEDIA GmbH & Co. KG. Zugriff: http://www.weka.de/oldmediadb/000001694.pdf (06.05.2016)

 

Kühn, Stefan (1999): „Krise, Renaissance oder Umbau von Hierarchien in Unternehmen?“. In: Berliner Debatte INITIAL, 10 (1999), 3. WeltTrends e.V.

9 Gedanken zu “Formelle Bewertungs- & Anreizsysteme: Optimal oder Out of Date?

  1. Ein interessanter Beitrag! Tatsächlich lässt sich ein Trend hin zu mehr intrinsischer Motivation über immaterielle Anreize feststellen. Hier stellt sich mir jedoch die Frage wie langfristig die Effekte sind. Kinderbetreuung oder ein schöner Arbeitsplatz mögen momentan noch als Anreiz wirken. In ein paar Jahrzehnten wird dies jedoch Standard sein und nicht mehr motivierend wirken, da es als selbstverständlich wahrgenommen wird. Lassen sich immaterielle Anreize ins Unendliche steigern? Wohl kaum! Dann wird man wohl wieder auf formelle/finanzielle Anreize zurückgreifen müssen. Zudem ist ein neuer Trend in der Gesellschaft wieder hin zu (finanzieller) Sicherheit und „Spießertum“ beobachtbar. Die momentane Situation rechtfertigt die Umstellung auf informelle Systeme, doch damit ist sicherlich kein Allheilmittel gefunden, welches bis in alle Ewigkeit bestehen kann.

    Like

    • Auch wenn der Trend wieder Richtung Sicherheit gehen mag, wie Stefanie erwähnt hat, können Mitarbeiter nur motiviert sein, wenn sie auch zufrieden sind. Ich stimme Team „hotstuffriot“ in diesem Punkt zu, dass ein Unternehmen nur erfolgreich sein kann, wenn es seine Angestellten motivieren kann. Wie schon Herzberger in seiner Zwei-Faktoren-Theorie erläuterte, kann eine nachhaltige Arbeitszufriedenheit nur erreicht werden durch Motivatoren, also durch intrinsiche Faktoren. Extrinsische Faktoren verhindern allenfalls eine Unzufriedenheit der Mitarbeiter. Auf lange Sicht fährt das Unternehmen also besser mit immateriellen Anreizen basierend auf intrinsicher Motivation.

      Like

    • Hallo Stefanie, ich schließe mich deiner Meinung an, dass Kinderbetreuung, ein schöner Arbeitsplatz oder Gehaltssteigerung nur kurzfristig auf die Zufriedenheit des Mitarbeiters bzw. intrinsische Motivation wirken. Die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg besagt, dass Motivatoren, wie z.B. Leistungserfolg, herausfordernde Arbeitsinhalte sowie Anerkennung von Vorgesetzten und Kollegen eine langfristige Wirkung auf die intrinsische Motivation haben. Daher zeigt sich, dass ein funktionierendes Anreizsystem sowohl materielle als auch immaterielle Anreize beinhalten muss. In der tagtäglichen Managementpraxis muss ebenfalls auf die Softfaktoren, wie zum Beispiel der Bedarf von Mitarbeitern nach Anerkennung, entsprechend eingegangen werden.

      Like

      • Ich finde es spannend, dass ihr in eurem Beitrag die Generation Y (also uns) im Besonderen angesprochen habt. Ich habe mich deshalb kurzerhand ein wenig darüber informiert, wie man auf dem Arbeitsmarkt denn über die zukünftige Arbeitergeneration denkt.
        In der knappen Zusammenfassung: Geld spielt nicht mehr die größte Rolle, stattdessen sind Flexibilität und Freizeit die Schlagwörter. Personelle Nähe, Selbstverwirklichung, Spaß an der Arbeit und Teamleistung spielen ebenfalls eine große Rolle. Das Motto „Work-Life-Balance“ bedeutete aber mit Sicherheit nicht, dass wir weniger arbeiten wollen, sondern einfach nur bestimmen, wo und wann wir es tun. Auch Weiterbildung und Perspektive sind wichtig. (Sonnet, Carola: „Mehr Leichtigkeit im Arbeitsleben“, 22.02.2014, http://www.karriere.de/karriere/mehr-leichtigkeit-im-arbeitsleben-164497/, aufgerufen am 08.05.2016)
        Ich persönlich kann mich da durchaus wiederfinden.
        Um nun die Brücke zurück zu den variablen Anreiz- und Entlohnungssystemen zu schlagen, denke ich, dass hier die traditionellen Mittel, die hauptsächlich auf finanzielle Entlohnung zielen, nicht mehr wegweisend sind. Stattdessen könnte ich mir vorstellen, dass „softe“ Angebote wie die Gestaltung eines angenehmen Arbeitsumfeldes, Flexibilität, Eigenverantwortung, Kinderbetreuung etc. eher den Zahn der Zeit treffen.
        Das widerspricht nun interessanterweise den Argumenten meiner Vorrednerinnen…. gibt es vielleicht noch weitere Meinungen zu dem Thema?

        Like

      • Ich Stimme dir, Hannah, zu!
        Ich finde schon, dass „Umweltbedingungen“ wie Kinderbetreuung, etc. als Anreizsystem gelten kann. Natürlich kann über die Jahre ein gewissen Gewöhnungseffekt auftreten und falls wirklich einmal alle Unternehmen über hervorragende Kinderbetreuung verfügen, ist dies sicherlich kein Alleinstellungsmerkmal mehr, weswegen man sich bewusst FÜR ein Unternehmen entscheidet. Hier hilft es sicherlich auch, an das Kanon-Modell zu denken: Es muss immer etwas neues kommen, wenn man Begeisterungsrufe erreichen will. Allerdings ist es dann vielleicht so, dass ein Fehlen an Kinderbetreuung ein automatisches Ausschlusskriterium ist. Wie Hannah schon sagte, werden solche „Begleitfaktoren“ meiner Meinung nach in den kommenden Jahren immer wichtiger werden. Die Höhe des Gehalts scheint nur noch für einen Bruchteil unserer Generation ausschlaggebend zu sein, vielmehr ist es die „Work-Life-Balance“, die „wir“ wollen. Hierzu gehört eben auch, dass sich Privat- und Berufsleben gut vereinbaren lassen, was durch Gleitzeit, Kinderbetreuung, Heimarbeit, etc. gewährleistet werden kann. Des Weiteren ist der Drang nach Individualisierung bei uns sicherlich stärker ausgeprägt, als noch bei unseren Eltern. Auch deswegen denke ich, dass unsere Generation für intrinsische Motivation „anfälliger“ ist. Vielen ist es doch wichtig, auch hinter dem Unternehmen zu stehen, in welchem sie arbeiten. Arbeit ist nicht mehr nur zum Geldverdienen da, sondern hat auch einen gehörigen Anteil der Selbstverwirklichung inne!

        Like

  2. Meiner Meinung nach ist der Beitrag sehr gelungen.
    Ich stimme zu, dass in Start-Ups und bei Berufen, wo Kreativität und Innovation großgeschrieben wird, auf formelle Bewertungssysteme immer öfters verzichtet wird. Dennoch möchte ich ergänzen, dass, um die Effektivität und Fairness des Bewertungssystems sicherzustellen, die Transparenz im Bewertungsprozess und ein schnelles Feedbacksystem nicht unterschätzt werden darf, unabhängig ob bei informellen oder formellen Bewertungssystemen. Ansonsten fühlen sich die Mitarbeiter nicht richtig anerkennt, wodurch das Unternehmen Leistungsträger verlieren würde.

    Like

  3. ich finde, dass dieser Beitrag eine sehr klare Struktur hat. Diese Arbeit anwortet die Frage in zwei unterschiedlichen Perspektiven. Auf der einen Seiten diskutieren die Autoren diese Frage in Ganzheit. d.h Sie diskutieren die allgemeine Situation in aller Arbeitsbereichen. Auf der anderen Seiten erklären sie dieses Thema in verschiedenen Arbeitsarten. Ich befürworte die meinsten ihre Meinungen.
    Bis heute spielen formelle Bewertungs-und Anreizssysteme besonders die Prämiensysteme noch eine wichtige Rolle in HR-Management. Weil es die direcktesten Anreizart ist. Angestellten können sofort motiviert werden wegen der Prämien oder anderer Belohnung. Damit erhöht die Produktivität sich auch schnell. Es ist nicht zu leugnen, dass diese Anreizsystem auch Nachteile hat. z.B die unfaire Bewertung und Anreiz.
    Aber nach meiner Meinung sind solche Bewertung und Anreizsysteme nicht so out of date. Tatsächlich gibt es Problemen wie ungerechte Bewertung. Jedoch entwickeln solche Systeme sich immer, um Angestellten mehr gerechter zu bewerten z.B viele IT-Systeme. Die Benutzung sochlen Computer-Systeme können quasi die Ungerechtigkeit vermindern. Die intrinsische Anreizsysteme sind auch sinnvoll. Aber man kann auch nicht 100% gewährleisten, dass jede Angestellte alle Einrichtungen benutzen kann. Z.B In der Tochte-Unternehmen in einige nicht so reichen Länder ist es unmöglich, dass solche Niederlassung auch so gute Einrichtungen wie entwickelte Sportplatz oder Hospital bieten. In diesem Fall sind Prämiensystem sehr wichtig.
    Deshalb glaube ich ,dass man nicht auf alle formelle Bewertung-und Anreizsysteme verzichten kann. Sondern beide sollen effektiver und geeigneter zusammen angewendet werden.

    Like

  4. Wie in dem Blog schon angesprochen, ist es äußerst schwierig sich rein für formelle oder informelle Bewertungs- und Anreizsysteme zu entscheiden. Beide haben ihre Vorteile und Nachteile. Meiner Meinung nach sollte daher ein System gefunden werden, dass sowohl formelle als auch informelle Bewertungs- und Anreizsysteme umfasst. Durch formelle Bewertung und Anreize kann eine gewisse Kontinuität in der Motivation und dem Verhalten der Mitarbeiter entwickelt werden. Solange die Bewertung der Leistungen objektiv passiert kann es für die Mitarbeiter nur positiv auswirken. Eine objektive Bewertung gelingt meiner Ansicht nach am Besten durch technische Unterstützung und der Entwicklung von unpersönlichen Algorithmen, die Leistung nur aufgrund der gelieferten Daten bewertet. Daneben stellt dann das informelle Bewertungs- und Anreizsystem noch die Möglichkeit für die Manager da, schwer zu messende und besondere Aufgaben herauszuheben und die Mitarbeiter zusätzlich zu motivieren. Bei informellen Anreizen kann auch eine subjektive Komponente mit einfließen.

    Like

Hinterlasse einen Kommentar